Es wurde bereits angedeutet: Konversations-basierte Mensch-Maschine-Interaktion ist für User attraktiv, weil
sie der natürlichen Sprache und Interaktion des Menschen ähnelt. Die Vorteile für die User liegen so auf der
Hand: Die gewünschte Information wird direkt im Gespräch angesteuert; bei voice-basierten Systemen entfällt
auch das umständliche Tippen. Die Sprache ist eine anthropologische Grundkonstante; ihre Verwendung in der
Mensch-Maschine-Interaktion ist darum der natürlichste Kommunikationsweg überhaupt. Wird aber durch das neue
Paradigma der Conversational Interfaces das grafische Interface vollständig entfallen? Das ist eher nicht zu
erwarten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich ein multimodales System etablieren wird, das aus
unterschiedlichsten
technischen und kommunikativen Komponenten einschließlich graphischer Interfaces besteht – und dass es der
konkrete Use Case ist, der entscheidet, welche Input- und Outputmodalitäten gewählt werden bzw. zur Verfügung
stehen.
Bei vielen Fast Moving Consumer Goods (FMCG) etwa ist es zur Bestellung nicht unbedingt nötig, das Produkt zu
sehen: Im Zweifelsfall vertrauen wir, dass das Klopapier seinen Zweck erfüllt und müssen uns kein Bild dazu
anschauen. Zudem können solche FMCG auch gut als Abo-Modelle nachbestellt werden, sodass die Frage, welche
Marke und welches Produkt gekauft wird, entfällt. Beim Kauf von Schuhen sieht das bereits anders aus. Auch bei
einer präzisen Suche nach “schwarzer Halbschuh mit Schnürsenkeln in Größe 39” möchten wir eine Auswahl haben,
möchten wir das Produkt sehen. Für all solche Fälle bleibt ein Bildschirm notwendig.
Viele zur Nutzung wichtigen Fragestellungen nach sinnvollen Use Cases, attraktiven Service/Content-Bündeln,
praktischer Implementierung, Evaluation und Service Design sind noch weitgehend unbearbeitet. Die Anforderung
an die Anbieter und Entwickler eines derart heterogenen Systems sind hoch. Daten und Inhalte müssen hochgradig
responsiv ausgespielt werden und technisch bislang wenig kompatible Systeme performant vernetzt werden. Alle
Anbieter von Inhalten, Dienstleistungen und Produkten – also Agenturen, Verlage, Contentmanager und
Unternehmen aus dem Handel, Produktion und Services – müssen sich neu positionieren, ihre Angebote neu
formulieren und Strategien anpassen.
Das gilt vor allem auch für E-Commerce und alle Formen des digitalen Vertriebs. Kernaufgaben, wie das
Auffinden von unbekannten Serviceangeboten (Findability) und das Entdecken von unbekannten Produktangeboten
(Discoverability) sind aufgrund der flachen Informations-Architektur-Hierarchie von CUIs noch weitgehend
ungelöst. CUIs in Form von Chatbots und Virtual Assistants können im B2C Umfeld entlang der gesamten Customer-
und User Journey eingesetzt werden. Für Interface- und Service-Designer, die sich bisher überwiegend mit
Desktop-Websites und Mobile-Apps beschäftigen, bietet eine derartige Umwälzung gleichzeitig eine existentielle
Herausforderung, aber auch viele faszinierende neue Chancen. Eine Beispiel: Eine wichtige Herausforderung
besteht beispielsweise darin, zu schauen, wie viele Inhalte auf eine Suchanfrage ausgespielt werden sollten:
Bekommt der User zu viele Elemente – z.B. Produkte – ausgespielt, ist er überfordert; bekommt er zu wenig
Auswahl angeboten, ist er ebenfalls frustriert (Paradox of Choice).